15. Göttinger Workshop zur Literaturtheorie, 20.06.2008

Daniel Fulda (Halle):

Poetologie des Wissens. Probleme und Chancen am Beispiel des historischen Wissens und seiner Formen[1]

 

I. Hayden Whites Impuls zu einer 'Poetologie des historischen Wissens'

 

Bereits vor 35 Jahren – 1973 – erschien eines der einflußreichsten, weltweit wirkenden geisteswissenschaftlichen Bücher, das auch wesentlich zur Formierung jener 'Poetologie des Wissens’ beigetragen hat, über die wir heute sprechen. Auf deren Teilbereich, zu dem ich selbst beigetragen habe[2] – man könnte sagen: der Poetologie des historischen Wissens –, fungiert der Name seines Autors bis heute als Signal von unübertroffener Bekanntheit. Ich meine Hayden White und sein Hauptwerk Metahistory.[3]

H. White weist die Geschichtsschreibung als ein "literarisches Kunstwerk“ (literary artifact) aus.[4] Das Literarische versteht er dabei nicht als stilistisches Oberflächenphänomen, als eine Möglichkeit, die der Historiker wählen oder ablehnen kann, sondern als Konstituens, als etwas, ohne das Geschichtsschreibung gar nicht möglich ist. In der traditionsreichen Debatte um den Status der Historiographie zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen Erklären und Verstehen, zwischen Analyse und Erzählen, ist White keineswegs der erste, der die Geschichtsschreibung an die Seite der Literatur rückt. Aber er tut dies nicht mit den vortheoretischen 'Werkstattargumenten’, mit denen sich Historiker immer wieder gegen ein szientifisches Wissenschaftsverständnis gewandt haben ('der Historiker braucht Einbildungskraft’, 'er muß er erzählen können’). Im methodischen Gestus sowie im kritischen Impetus schließt er vielmehr an den Strukturalismus an, also an die seinerzeitige methodische Avantgarde (oder Fast-noch-Avantgarde). Damit hatte er durchschlagenden Erfolg. Seine Bücher beherrschten die Diskussion um Geschichtsschreibung und deren literarische Bedingtheit etwa 20 Jahre lang und mit Folgen weit über diesen Themenkomplex hinaus. So ist die Formel des New Historicism von der "Textualität der Geschichte“, die mit der "Geschichtlichkeit der Texte“ zusammenzubringen sei,[5] ohne die argumentative – und atmosphärische – Vorarbeit H. Whites nicht denkbar.

Ich beginne mit H. White als einem herausragenden Beispiel von 'Poetologie des Wissens’, um daran Stärken und Schwächen (aus meiner Sicht) zu diskutieren. Vorausschicken muß ich: Es geht um Poetisches in Wissensdiskursen, vorwiegend um poetische Formen oder andere Prägungen. Nicht berücksichtigen kann ich in diesem Rahmen das Problem von Wissen in Literatur: ob es das geben kann und, wenn ja, wie dieses Wissen erzeugt wird und beschaffen ist. Mit einer leichten Blickwendung auf literarische Geschichtstexte ließe sich dieses Thema aber leicht anschließen.[6]

 

In Metahistory ist das Einleitungskapitel, das die theoretische Grundlegung leistet und zugleich die Ergebnisse der nachfolgenden Beispielanalysen resümiert, "The Poetics of History“ überschrieben. Von einer Poetik der Geschichtsschreibung oder sogar Geschichte ist hier im Sinne eines deskriptiven Nachvollzugs derjenigen Regeln die Rede, nach denen sich Schreibweisen organisieren, in diesem Fall historiographische Schreibweisen. Whites Anspruch ist es, die implizite Poetik der Historie aufzudecken. Trotz oder gerade wegen ihrer Implizitheit habe diese Poetik aber eine starke Regelungswirkung, denn nach ihr wird beurteilt (vom Fach, von den Lesern), was als Geschichtsschreibung anerkannt sein will.

Warum aber Poetik und nicht Theorie der Historik oder wenigstens 'Historik’, wie es in der Geschichtstheorie halb in Anlehnung an die der Literatur zugeordnete 'Poetik’, halb in Absetzung davon (Gervinus, Droysen, Rüsen) üblich war und ist? Nach White vollzieht der Historiker notwendig "an essentially poetic act“ (poetic hervorgehoben), sobald er sich überhaupt nur einem Gegenstand zuwendet und ihn als Thema seiner Forschung betrachtet.[7] Dieser Akt strukturiere das Gegenstandsfeld so, daß es ein geeigneter Gegenstand der Geschichtsschreibung wird. White bezeichnet diesen Akt deshalb als poetisch, weil:

– weil er vorbegrifflich, präkognitiv und vorkritisch sei (gemeint ist offensichtlich: weil er keiner methodischen Kontrolle unterliegt),

– weil er konstitutiv sei: ohne ihn gebe es keine Geschichtsschreibung,

– weil er unablösbar von der Sprache sei, mit der das Gegenstandsfeld allererst beschrieben wird, und das sei eine von Tropen regierte und mithin poetische Sprache.

Diese Gründe für die Charakterisierung jenes Aktes als poetisch sowie den Titel 'poetics of history’ sind unterschiedlich überzeugend; ich werde gleich näher darauf eingehen.

White ist es wichtig, daß dieser poetische Akt Geschichte nicht einfach in einer 'Standardversion’ verfügbar macht. Vielmehr strukturiere er das Gegenstandsfeld zugleich so stark vor, daß sich regelmäßig ein bestimmter Typ der Erklärung, der ideologischen Deutung sowie des Plots, der der jeweils erzählten Geschichte verliehen wird, daran knüpfe. Vorstrukturieren heißt hier: aus den unterschiedlichen allerersten Beschreibungen des Gegenstandsfeldes leitet sich alles weitere ab.

White setzt vier Varianten dieser Vorstrukturierung an, die er mit den vier "Grundtropen“ Metapher, Metonymie, Synekdoche und Ironie in Verbindung bringt. Tropen begreift White als sprachliche Kristallisationen grundlegender gedanklicher Zuordnungen: Im Fall der Metapher stehen Gemeintes und Gesagtes in einer Ähnlichkeitsbeziehung, im Fall der (enger als üblich aufgefaßten) Metonymie in einer kausalen Beziehung, im Fall der Synekdoche steht ein Teil für das Ganze ein, während die Ironie Gemeintes und Gesagtes gegeneinanderstellt. Tropisch geprägt seien sowohl die Erzählstruktur eines Geschichtswerkes (mit den Geschichtenmustern der Romanze, der Tragödie, der Komödie sowie der Satire) als auch dessen Erklärungsstrategien, zudem der jeweilige ideologische Blickwinkel. So schlage sich die synekdochische Integration des Teils ins Ganze typischerweise in einer komödischen Erzählstruktur, einer organizistischen Erklärungs­strategie sowie konservativen Urteilen nieder. Insgesamt ergebe sich ein System von vier 'homologen', nämlich dem jeweils regierenden Tropus verpflichteten Kombinationen jener drei Interpretationsmöglichkeiten.

 

Leuchtet Ihnen Whites "Poetik der Geschichte“ ein? Seine Gründe dafür, von einer 'Poetik’ zu sprechen, scheinen, wie gesagt, unterschiedlich überzeugend:

– Daß der Historiker sein Gegenstandsfeld "vorbegrifflich“ und "vorkritisch“ konstituiert, ergibt keinerlei Grund, von einem poetischen Akt zu sprechen. Whites dritter Begriff in diesem Bunde – präkognitiv – scheint mir vollends ein Querschläger zu sein: Wie soll eine Gegenstandsbeschreibung, und sei sie auch poetisch, präkognitiv sein?

– Whites zweites Argument ist, daß die Wahrnehmung und Beschreibung eines Geschehens als Geschichte konstitutive Bedeutung habe. Hier kann man mit etwas besseren Gründen von einem poetischen Akt sprechen, anknüpfend an die primäre Wortbedeutung von poiesis = herstellen, machen. Was hervorgebracht wird, muß aber keineswegs Poesie sein.

– Drittens spricht White deshalb von einem poetischen Akt, weil dessen konkrete Ausgestaltung sich nach Tropen als den "Grundformen der poetischen Sprache“ richte. Hier kommen wir auf die schwierige Frage, was die poetische Sprache auszeichnet. Daß Tropen in der Poesie verstärkt und gezielt eingesetzt werden, bedeutet ja nicht zugleich, daß es sich um ein Spezifikum poetischer Sprache handelt (wenn diese sich überhaupt prinzipiell von nicht-poetischer Sprache unterscheiden läßt). Übrigens meint White nicht, daß z. B. Michelet, dessen Historiographie durch die Metapher vorstrukturiert sei, besonders häufig Metaphern gebrauche. Anders als in der traditionellen Rhetorik geht es überhaupt nicht um Ersetzungsverhältnisse (um das Verhältnis von Gemeintem und Gesagtem), linguistisch gesprochen: um die paradigmatische Dimension von Sprache. Sondern es geht um Koordinationsverhältnisse, also um die syntagmatische Dimension. Dementsprechend bezeichnet White in seinem nächsten Buch (Tropics of Discourse von 1978) die Tropennamen lediglich als "Metaphern“ für unterschiedliche Denkweisen. Der ohnehin lockere Bezug zur Poesie ist hier wirklich nur noch ein durch die Begriffswahl erzeugter.

Zwingende Gründe, von einer Poetik der Geschichte zu sprechen, sind das alles nicht. Im Gegenteil: daß der Begriff auf den allerersten Blick vielleicht einleuchtet, beruht auf:

– nicht gerechtfertigten Schlüssen (eine nicht begriffliche Sprache sei poetisch),

– der Kontamination unterschiedlicher und zu unterscheidender Begriffsdimensionen: nämlich von poietisch i.S. von 'hervorbringend’ und poetisch i.S. von zur Poesie/Literatur gehörig,

– der Hypostasierung einer Regelmäßigkeit (poetische Texte weisen überdurchschnittlich viele Tropen auf) zu einer Wesenszuordnung (Tropen seien "Grundformen der poetischen Sprache“),

– einer Ausweitung bzw. Verschiebung des Begriffsinhalt (der Tropus nicht als Ergebnis einer paradigmatisch substituierenden Aktion, sondern als Movens einer syntagmatischen Koordinierung), die den Begriff bei genauerer Betrachtung zur Metapher 'verdünnt’.

Das alles sind doch ziemlich schwerwiegende 'Fehler’. Vielleicht fragen Sie sich, wie White damit durchkommen konnte. Dafür gibt es viele kleine Gründe, die sich anführen lassen, und, wie mir scheint, einen großen: Er hat doch recht – nicht in den Details (wie hier jetzt ansatzweise gezeigt), aber im großen Ganzen. Oder, etwas vorsichtiger: sein Buch gab der Diskussion über Historiographie und Geschichte einen Impuls, der so kräftig und so fruchtbar war, daß in seinem Gefolge ein weitgehend neues und auch weithin akzeptiertes Bild davon entstanden ist, was Historiographie und Geschichte eigentlich sind. Dazu hat Metahistory soviel wie kein anderes Buch beigetragen, auch wenn seine Thesen im einzelnen nicht überzeugen konnten.

 

II. Geschichtstheorie und Historiographieanalyse als 'Poetologie des Wissens'

 

Im Zentrum der Geschichtstheorie, die sich im Gefolge von Metahistory durchgesetzt hat, steht der Begriff der Erzählung.

– Zunächst wurde die Erzählung als eine für historische Prozesse besonders geeignete Form der Erklärung ausgewiesen.[8] Erzählte Geschichten weisen idealtypisch eine Drei-Phasen-Struktur auf: Ein Ausgangszustand wird durch ein Ereignis verändert, das die nicht nur temporale, sondern auch qualitative Differenz zum Endzustand ausmacht. Die Erzählung 'erklärt’ solche Zustandsänderungen, indem sie auf eine im Erfahrungshorizont oder zumindest dem Vorstellungsvermögen von Erzähler und Rezipient plausible Weise aus Phase 1 in Phase 3 überleitet. Zudem ermöglicht es die Perspektivität des Erzählens, vergangene Ereignisse unter dem Gesichtspunkt zu verknüpfen, wie in ihnen die eigene Gegenwart entstand.

– Geschichte zu erzählen impliziert weiterhin, einem bestimmten Plot (Handlungsmuster) zu folgen.[9] Mit Hilfe dieses Musters wird die erzählte Geschichte immanent interpretiert, d.h. es wird ihr ein Sinn zugewiesen, der nicht schon in ihren 'Fakten'-Elementen enthalten ist. So weit prägen narrative Strukturen die Geschichtswerke, die der Historiker im wörtlichen Sinne schreibt.

– Schließlich läßt sich die Erzählung als apriorisches Schema ausweisen, das allen Rekonstruktionen, ja Wahrnehmungen von Geschichte zugrunde liegt.[10] Danach fungiert das Kohärenzschema der Erzählung im historischen Denken als Anschauungsform, die 'bloßes', amorphes Geschehen in strukturierte, durch Kontinuität und sinnvolle Prozeßhaftigkeit ausgezeichnete 'Geschichte' transformiert. In diesem Sinne ist alles historische Denken narrativ verfaßt.

Zu betonen ist, die Narrativität der Geschichtsschreibung in den drei genannten Hinsichten nicht daran hängt, ob die discours-Ebene 'typisch erzählerisch’ ausgestaltet ist (plastische Charaktere, Absichten und Interaktionen im Zentrum, Anschaulichkeit des Settings). Strukturell narrativ sind ebenso die Werke der programmatisch und post-narrativen Geschichtsforschung sozialwissenschaftlicher, strukturanalytischer oder 'kliometrischer' Orientierung (z. B. Fernand Braudels und der "Annales“).[11]

 

Und vor einem Mißverständnis ist zu warnen: Aus dem Befund, daß die Erzählung die genuine Form der Geschichte darstellt, folgt nicht, daß die Historie von einer Wissenschaft zur literarischen Gattung mutierte. Denn die Erzählung stellt kein Spezifikum der Literatur dar, sondern einen schon lebensweltlich omnipräsenten Modus der Auffassung, Strukturierung, Deutung und Vermittlung von realen oder imaginierten Erfahrungen, von Wissen, Vorstellungen und Intentionen. Die Erzählform begründet keine Literarizität!

Ebenso falsch wäre es indes, gar keinen Zusammenhang zwischen der Erzählstruktur von Geschichte und Geschichtsschreibung auf der einen Seite und literarischen Erzählstrukturen auf der anderen anzuerkennen. In der Frühphase der narrativistischen Geschichtstheorie haben Hans Michael Baumgartner und Jörn Rüsen dies versucht, indem sie strikt zwischen einem (zu akzeptierenden) 'geschichtslogischen’ und einem (abzulehnenden) 'poetologischen’ Erzählbegriff unterschieden. Alles, was sie über den 'geschichtslogischen’, angeblich apoetischen Erzählbegriff aussagen, folgt jedoch aus der poetologischen Tradition, vor allem aus der Aristotelischen Definition der poetischen Fabel: Deren aufeinanderfolgende Teile müssen in einer einleuchtenden Weise auseinander folgen, damit die in ihnen beschlossene Zustandsveränderung plausibel wirkt.[12]

Zudem kann man verfolgen, wie eine Geschichtsschreibung, die ihren jeweiligen Gegenstand als Teil einer derartig kohärenten 'Geschichte als ganzer’ darzustellen versucht, auf ästhetische Konzepte und literarische Darstellungsmuster zurückgriff, ja zurückgreifen mußte. An dieser Stelle setzt der Beitrag an, den ich selbst zur 'Poetologie des historischen Wissens’ zu leisten versucht habe (warum ich von 'Poetologie’ und nicht, wie White, von einer 'Poetik’ spreche, erläutere ich später). Ich erlaube mir, kurz an die Leitthese meines Buches Wissenschaft aus Kunst zu erinnern: Historisches Denken im anspruchsvollen Sinn einer prozessualen Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellt keine kulturelle Universalie dar: Das Geschehen aller Zeiten wurde nicht schon immer und überall als narrativ strukturierte Geschichte zusammengedacht. Vielmehr hat dieser emphatische Begriff von Geschichte seinen bewußtseinsgeschichtlichen Ort in der europäischen Kultur seit der Mitte des 18. Jahrhunderts.[13] Wenig später gelang der Geschichtswissenschaft der Aufstieg zur geisteswissenschaftlichen Leitdisziplin in Deutschland – nämlich als sie ihre Denkmuster und Darstellungsformen nach den ästhetischen Kategorien und Erzählmustern der goethezeitlichen Literatur formte. Die dem Geschichtsprozeß zugemessene Einheitlichkeit darzustellen wurde um 1800 möglich, weil man ihn quasi als große Erzählung verstand. Das entscheidend Neue des eben erst entstandenen Begriffs der 'einen Geschichte’ drückte nun der Plot aus, mit dem die historiographische Erzählung ihrem Gegenstand Kohärenz verleiht. Die Erzählförmigkeit, die Geschichte und Geschichtsschreibung in theoretischer Hinsicht generell zuerkannt werden, läßt sich demnach auch historisch konkret als aus Ästhetik und Literatur adaptiert beobachten.

 

Eine Historiographieanalyse, die dies zutage fördert, sowie eine Geschichtstheorie, die darauf aufbaut, kann sich, wie mir scheint, mit vollem Recht 'Poetologie des Wissens’ nennen. Sie darf das von ihren Gegenständen her wie von der besonderen Zuständigkeit der Literaturwissenschaft für diese Gegenstände:

– Ihre Gegenstände sind vor allem diejenigen sprachlichen Strukturen, die den Diskurs über Geschichte kennzeichnen, ja konstituieren. 'Gattungsspezifische sprachliche Strukturen’ könnte man sie nennen. Solche 'gattungsspezifischen sprachlichen Strukturen’ aber bilden den genuinen Gegenstand der Poetik, selbst bei einem konservativen Begriffsverständnis. Neu ist hier 'nur’, daß es sich um die Poetik einer nicht-literarischen Gattung handelt.

– Ihre Gegenstände sind u. U. auch ästhetische Konzepte und literarische Darstellungsmuster, die aus dem literarischen Diskurs in den historiographischen hineinwirkten. Hier handelt es sich vollends um traditionelle Gegenstände der Poetik. Neu ist hier 'nur’, daß man ihre Ausstrahlung in einen Wissensdiskurs (eben die Historiographie) verfolgt. Verallgemeinert: Denkweisen und Formen ästhetisch-literarischer Herkunft in Wissen außerhalb der Literatur aufzufinden stellt die Idealsituation einer 'Poetologie des Wissens’ dar – ideal, weil die Berechtigung des 'poetologischen’ Ansatzes hier evident ist.

– Die Zuständigkeit der Literaturwissenschaft für die Historiographie und ihre Analyse ergibt sich daraus, daß es sich bei den genannten Gegenständen um sprachliche Strukturen handelt, die in der Literatur besonders elaboriert werden, aber auch in anderen kulturellen Feldern auftreten und Funktionen haben. Was die Literaturwissenschaft hier einzubringen hat, ist ihre im Umgang mit den meist komplexeren Texten der Literatur ausgebildete Analyse- und Modellbildungskompetenz. Verallgemeinert: Diese oder eine andere spezifische Kompetenz des Literaturwissenschaftler bei der Analyse nicht-literarischer Phänomene einbringen zu können bildet die Minimalanforderung, die erfüllt sein muß, damit von einer 'Poetologie des Wissens’ die Rede sein kann.[14]

Sobald Historiographie auch in ihrem Status als wissenschaftlicher Diskurs erfaßt werden soll, muß freilich noch einiges hinzukommen, nämlich Überlegungen zu den historiographischen Verfahren wie institutionellen Bedingungen, die jenen Status sichern. An dieser Stelle endet die eigene Kompetenz einer 'Poetologie des Wissens’ und ist der Anschluß an andere Ansätze der Wissenschaftsforschung herzustellen. Diese Begrenztheit ist wohlgemerkt kein Manko, sondern ist die unvermeidbare Kehrseite der spezifischen Kompetenz einer Poetik des Wissens. Wichtig ist nur, daß diese Begrenztheit und die daraus folgende Ergänzungsbedürftigkeit nicht vergessen werden.

 

Hoffentlich konnte ich Ihnen Programm und Praxis einer 'Poetik’ oder 'Poetologie des Wissens’ etwas plausibler machen, als sie sich in der Gestalt von Hayden Whites "poetics of history“ präsentierten. Warum bin ich dann überhaupt auf diesen Archetext eingegangen?

– Zum einen, um Ihnen zu demonstrieren, wie eine 'Poetik’ oder 'Poetologie des Wissens’ m. A. n. nicht aussehen darf, nämlich weil ihr die nötige begriffliche Präzision fehlt. Was von einem extensiven, nicht gedeckten Begriffsgebrauch zu erwarten ist, sind allenfalls Anstöße zur weiteren Forschung.

– Zum anderen erinnere ich an Whites "poetics of history“, um zu zeigen, wie wenig Kritik an mangelnder Präzision auszurichten vermag. An Metahistory läßt sich studieren, daß sich ein Ansatz wie die 'Poetologie des Wissens’ nicht allein durch eine Kritik an begrifflichen Unschärfen erledigen läßt (was Gideon Stiening an der 'Poetologie des Wissens‘ moniert, sind vor allem die "dürftigen begrifflichen Nachweise“ und ein "Mangel an rationalen Begründungen“[15]. Selbstverständlich sollten begriffliche und konzeptionelle Unschärfen mit allen Kräften vermieden werden bzw. sollen, wo sie auftreten, Gegenstand der Kritik sein. In dieser Hinsicht sehe auch ich an Joseph Vogl – auf den der Markennamen 'Poetologie des Wissens’ zurückgeht – manches zu kritisieren, wenngleich nicht so viel wie Gideon Stiening. Problematisch scheint mir vor allem Vogls Absicht zur Indifferenz, wie sie sich im wiederholten Einsatz des Adverbs "gleichermaßen“ ausdrückt.[16] Ich halte es aber nicht für möglich, durch solche Kritik den gesamten Ansatz zu erledigen. Wer nur das Kritikwürdige sieht, gerät in Gefahr, sich dem Produktiven von vornherein zu verschließen.

Daß eine 'Poetik’ oder 'Poetologie des Wissens’ gleichwohl möglich ist, sollten meine Hinweise auf die narrationsanalytische Historiographieforschung plausibilisieren. Ganz entscheidend scheint mir dabei ein sorgfältiger Begriffsgebrauch. Nur wenn 'Poetik’, 'Poetologie’ und weitere Begriffe aus dem literarischen Bereich nicht leichtfertig auf Wissensphänomene angewandt werden, ist die Spannung, die in der contra-intuitiven Begriffskombination 'Poetologie des Wissens’ liegt, sachlich begründet. Gideon Stiening stimme ich zu, wenn er an dem bei Joseph Vogl mehrfach wiederkehrenden Deleuze-Zitat "Wissenschaft und Poesie sind gleichermaßen Wissen“ Anstoß nimmt.[17] Wenn es gar keine Differenzen zwischen verschiedenen Diskursformationen gibt, haben Nachweise, daß die vermeintlich nur für literarische Texte geltenden Verfahren auch für eine Wissenschaft grundlegend sind, keinen Neuigkeitswert.

 

Ein Wort noch zur Frage, ob man Poetik oder Poetologie sagen sollte.

– 'Poetologie’ ist, wie Wilfried Barner moniert hat, ein Neologismus, der 'eigentlich’ auf den poeta, den Dichter bezogen ist, also 'Lehre vom Dichter’, nicht 'von der Dichtung oder Literatur’ bedeutet.[18] So wird Poetologie allerdings nicht gebraucht, und ich zweifle, ob Hinweise auf die Diskrepanz zwischen etymologischer und usueller Wortbedeutung den Usus ändern können. (Korrekt gebildet wäre übrigens 'Poeseologie’.[19])

– 'Poetik’ wiederum hat sich eingebürgert als Bezeichnung für jene Poetiken, die als "explizit normierendes System“ von Regeln für das Verfertigen von Dichtung auftreten; er wird seit längerem aber auch für deskriptive Beschäftigungen mit den Grundsätzen und Verfahren, die Literatur ausmachen, sowie für die nicht explizierten Regelmäßigkeiten bestimmter literarischer Texte oder Textgruppen (sogenannte 'immanente Poetik’) verwandt.[20] Im Gebrauch ist 'Poetik’ mithin noch erheblich weniger eindeutig als 'Poetologie’.

Der von Harald Fricke verfaßte RLW-Artikel empfiehlt, ausschließlich bei Regelpoetiken von 'Poetik’ zu sprechen und in den anderen genannten Verwendungsweisen Poetologie bzw. Schreibweise zu sagen. Schließt man sich dem an, so kann es keine 'Poetik des historischen Wissens oder der Historie’ geben. Parallelunternehmungen zur normativen Poetik auf historiographischem Gebiet heißen vielmehr 'Historik’ (allerdings wird der Begriff auch in deskriptiver Absicht verwandt, wie eben auch Poetik). Auch bei anderen Gegenstandsfeldern sind keine normativen Festlegungen intendiert, wenn 'Poetik des Wissens’ die Rede ist. Also immer 'Poetologie des Wissens’? Nicht notwendig, weil sich Frickes Empfehlung, nur normative Poetiken so zu nennen, doch stark vom Usus entfernt.

Für eine Ein-für-allemal-Entscheidung für 'Poetik’ oder 'Poetologie des Wissens’ gibt es also keine durchschlagenden Gründe. Anstatt eine solche Entscheidung zu erzwingen, scheint es mir sinnvoller, sich jeweils danach zu richten, welche Assoziationen man wecken möchte: 'Poetik’ weist stärker als 'Poetologie’ auf ein System von Schreibregeln; 'Poetologie’ als der neuere Begriff verheißt hingegen einen Theorieentwurf auf der Grundlage des aktuellen Diskussionsstandes. Meine Hinweise auf die geschichtskonstitutive Funktion der Erzählung gehören mithin in eine 'Poetologie des Wissens’.

 

III. Das Wissen der Wissenspoetologie

 

Kritik am Konzept einer 'Poetologie des Wissens’ richtet sich auch gegen den damit verbundenen Wissensbegriff. Unter Wissen verstehen seine Poetologen nicht allein das, was die Wissenschaften produzieren. Das Wissen der Wissenschaften wird vielmehr mit seinen Kontexten und Voraussetzungen vor allem diskursiver Art in Verbindung gebracht (im Fall der Historiographie z. B., wie eben erläutert, mit der goethezeitlichen Ästhetik und Literatur). Als theoretische Grundlage dient häufig, wenn auch nicht durchweg, ein von Foucault hergeleiteter Wissensbegriff: die "Matrix aller Aussagen“[21], die zu einer Zeit möglich sind. Joseph Vogl beschreibt es so: "Dieses Wissen verläuft über Äußerungsweisen verschiedener Ordnung und Art und erscheint etwa in einem literarischen Text, in einem wissenschaftlichen Experiment, in einer Verordnung oder in einem alltäglichen Satz gleichermaßen.“[22]

So weit dieser Wissensbegriff scheint: er ist keineswegs der weiteste oder unspezifischste, der aktuell in der Literaturwissenschaft vertreten wird. Von Karl Richter, Jörg Schönert und Michael Titzmann stammt eine Definition von "kulturellem Wissen“, die explizit auf alles zielt, was "für wahr [ge]halten“ wird: "‘Kulturelles Wissen‘ [...] soll die Gesamtmenge der Aussagen/Propositionen heißen, die die Mitglieder eines räumlich und zeitlich begrenzten soziokulturellen Systems ('Epoche’, 'Kultur’) für wahr halten – unabhängig davon, ob eine solche Proposition im Rahmen unseres Wissens als wahr gilt oder nicht, und unabhängig davon, ob im System der Proposition der epistemische Modus des Wissens [...] oder des Glaubens zugeschrieben wird“.[23] Zu diesem Wissen gehört auch Alltagswissen, Norm- und Orientierungswissen, anthropologisches Wissens (für wahr gehaltene Annahmen darüber, wie sich Menschen verhalten) und sogar der Umgang mit literarischen Figuren (gewußt wird in diesem Fall, daß Adrian Leverkühn keine reale Person ist). Dieser Wissensbegriff ist so umfassend, daß er keinen Oppositionsbegriff mehr hat.

Demgegenüber ist der Wissensbegriff, mit dem die Poetologie des Wissens arbeitet, noch relativ konturiert. Wohl lassen sich trennscharfe Definitionen des wissenspoetologischen Wissensbegriffs in aller Regel mit Recht vermissen. Nicht zuletzt die Anlehnung mancher Autoren an Foucault führt dazu, daß Wissen mitunter als Allbegriff ähnlich wie Diskurs erscheint. Eingegrenzt wird die Anwendungsweite des Wissensbegriffs indessen durch die Hinordnung des wissenspoetisch zu erforschenden Wissens auf die Wissenschaften: Als Wissen angesprochen werden diejenigen Kontexte von Wissenschaft, die sich als unentbehrlich für diese erweisen. Bei den mir bekannten Wissenspoetologen sehe ich diese Eingrenzung praktisch wirksam, weil es eben die Austauschprozesse zwischen wissenschaftlichem und anderem Wissen sind, die interessieren. Und bei näherem Hinsehen definiert sogar Foucault: Die "von einer diskursiven Praxis regelmäßig gebildeten und für die Konstitution einer Wissenschaft unerläßlichen Elemente [...] kann man Wissen nennen.“[24] Daß das Wissen der Wissenspoetologen zur "’Vorstellung überhaupt’“ depraviert sei, wie Gideon Stiening schreibt,[25] kann ich nicht nachvollziehen.

Gideon Stiening sowie Tilmann[26] Köppe plädieren dafür, den Wissensbegriff durch Rückgriff auf die philosophische Tradition und deren Explikation von Wissen als 'begründete, wahre Meinung’ einzugrenzen. Alle drei Elemente dieser Explikation scheinen mir nicht weiter zu führen oder sogar problematisch.

– Ab wann kann man von einer Begründung sprechen? Ich nehme ein Beispiel aus dem hier besprochenen Bereich, der Historiographie: Hayden White und viele andere haben nachgewiesen, daß Geschichtswerke sich dadurch plausibilisieren, daß sie erzählerische Zusammenhänge bilden. Reicht das als Begründung; ich meine: reicht das, um von Wissen sprechen zu können? Faktisch reichte es für die Etablierung einer Wissenschaft, die im 19. Jahrhundert sogar als Leitdisziplin fungierte. Ob es reicht für die Erfüllung einer traditionellen philosophischen Wissensdefinition, erscheint mir demgegenüber unerheblich.

– Welche Wahrheit ist gemeint, die Wissen haben soll? Bei Tilmann Köppe und Gideon Stiening vermisse ich die historische und kulturelle Relativierung. Wer erforschen möchte, wie Wissenschaft und andere Wissensdiskurse funktionieren, muß all das als Wissen akzeptieren, was in der jeweils untersuchten Zeit und von den behandelten Autoren mit Gründen für wahr gehalten wurde oder wird. Wichtig ist allein, daß Wahrheitsbezüge vorliegen, weil nur dann von Wissen die Rede sein kann. Wenn die Wahrheitsansprüche des jeweils erforschten Wissens unserem Kenntnisstand nicht entsprechen, folgt daraus keine Disqualifikation dieses Wissens. Im übrigen scheinen mit den Wissensformen auch die Wahrheiten zu wechseln. Wenn ich noch einmal die Historiographie als Beispiel nehmen darf: Ihr hauptsächliches Problem ist nicht, das richtige Datum einer Thronbesteigung zu ermitteln oder die Zahl der Toten in einer Schlacht. So wichtig so etwas u. U. ist, wichtiger ist stets, welche Geschichte sich in der Verknüpfung solcher Daten erzählen läßt. Über deren 'Wahrheit’ führen Historiker die meisten ihrer Dispute. Geschichten und Geschichte sind aber Deutungen des historischen Geschehens. Bei ihnen stellt sich die Frage, ob sie plausibel sind oder nicht (immer im Horizont der jeweiligen Erwartungen), nicht aber, ob sie wahr sind im Sinne einer Gegenstandsentsprechung.

– Mit dem Explikationselement Meinung schließlich verbindet sich bei Gideon Stiening und Tilmann Köppe, daß sie Wissen an eine Person gebunden sehen möchten. Gideon Stiening unterscheidet – wenn ich recht sehe, in diesem Sinne – unpersönliche Information von "reflektiertem“ Wissen, das ein Individuum sich angeeignet.[27] Durch die Erläuterung, daß Wissen reflexiv angeeignet werden muß, sehe ich eine zusätzliche Anforderung aufgestellt, die Wissensforschung eher zu behindern als zu präzisieren geeignet ist. Um das wieder an 'meinem’ Gegenstand zu erläutern: Die Plotstrukturen, durch die historiographische Texte den jeweils dargestellten Geschichtsabschnitt deuten, sind wohl in den seltensten Fällen bewußt als solche gewählt worden. Sie gehören vielmehr einem 'tacit knowledge’ an, das sich aus kulturellen Erfahrungen speist, aber nicht zu Bewußtsein gelangt sein und den Status einer Meinung erlangt haben muß.

 

Nicolas Pethes hat vier Leitaspekte der wissenspoetologischen Revision der Wissenschaftsgeschichte benannt: Historizität, Konstruktivität, Diskursivität und Poetizität.[28] Gideon Stiening hat frontal dagegengehalten und alle vier als "haltlos“ qualifiziert.[29] Von meinen Arbeiten her kann ich nicht anders, als mich zu den genannten Leitaspekten zu bekennen, denn sie bezeichnen genau die Hinsichten, die die Historiographieforschung nach White voranbrachten. Ich gehe die vier Begriffe durch und versuche dabei zu resümieren:

– Historizität: Als historisch wechselnd und bedingt haben sich nicht allein die Forschungspositionen zur Geschichte (Fragen vom Typ 'wer hat den Reichstag angezündet’ oder, mit höherem Abstraktionsgrad: 'seit wann läuft die deutsche Geschichte auf 1933 hinaus’?) erwiesen. Viel grundlegender stellt vielmehr bereits die Wissensform 'Geschichte’ keine anthropologische Universalie, sondern ein Konzept mit spezifischem historischen und kulturellen Ort dar.

– Konstruktivität: Was seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter Geschichte verstanden wird – also ein universaler Entwicklungszusammenhang –, ist nicht identisch mit dem, was in der Vergangenheit geschehen ist, sondern ein Konstrukt derjenigen, die in einem bestimmten Konfigurationsmodus über historisches Geschehen verhandeln.

– Diskursivität: Geschichte entsteht demnach, wo über sie ein Diskurs geführt wird.

– Poetizität: Dieser Diskurs konfiguriert Geschehen in narrativen Strukturen, die sich am besten mit einem literaturwissenschaftlichen Instrumentarium analysieren lassen. 'Poetizität’ verstehe ich mithin als Perspektive unseres Faches, nicht als Wesenszugehörigkeit zur Literatur. Diese Perspektive einzunehmen verstehe ich nicht (wie Gideon Stiening mit einem Zitat von Wolfgang Reinhard) als "wissenschaftsimperialistischen Anspruch auf Deutungshoheit“,[30] sondern als ein Angebot, das die Kompetenzen unseres Fachs interdisziplinär zur Geltung bringen kann.



[1] Das Manuskript für den Vortrag in Göttingen wurde nicht nachträglich überarbeitet, lediglich die Literaturangaben wurden ergänzt. Mein Text reagiert also nicht auf den Diskussionsbeitrag Gideon Stienings. Gleichwohl erhält er einige Passagen, die Antworten geben auf seine kritischen Anfragen.

[2] Zuletzt D. F.: Literaturwissenschaft und ihre Nachbardisziplinen: Geschichtswissenschaft. In: Handbuch Literaturwissenschaft. Gegenstände – Konzepte – Institutionen. Bd. 1-3. Hrsg. von Thomas Anz. Stuttgart, Weimar: Metzler 2007, Bd. 2, S. 449-459. Der Diskussion in Göttingen lag mein zusammen mit Stefan Matuschek verfaßter, im Druck befindlicher Beitrag zugrunde: Literarische Formen in anderen Diskursformationen: Philosophie und Geschichtsschreibung. In: Gerhard Lauer, Simone Winko u. Fotis Jannidis (Hrsg.): Grenzen der Literatur. Zu Begriff und Phänomen des Literarischen. Berlin, New York: de Gruyter [voraussichtl. 2008] (Revisionen. 2).

[3] Hayden White: Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth Century Europe. Baltimore, London: The John Hopkins Univ. Pr. 1973; Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa. Aus dem Amerik. von Peter Kohlhaas. Frankfurt/Main: S. Fischer 1991.

[4] So der Titel eines 1974 erstveröffentlichten Aufsatzes, vgl. Hayden White: Der historische Text als literarisches Kunstwerk. In: ders.: Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses. Aus dem Amerik. von Brigitte Brinkmann-Siepmann und Thomas Siepmann. Einf. von Reinhart Koselleck. Stuttgart: Klett-Cotta 1986 (Sprache und Geschichte. 10), S. 101-122.

[5] Louis Montrose: Die Renaissance behaupten. Poetik und Politik der Kultur. In: Moritz Baßler (Hrsg.): New Historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur. Mit Beiträgen von Stephen Greenblatt, Louis Montrose [u. a. 8. Frankfurt/Main: Fischer Tb. Vlg. 1995., S. 60-93, hier S. 67.

[6] Zur aktuellen Tendenz besonders geschichtsthematisierender Texte zu einer 'Literatur ohne Fiktion’ vgl. D. F.: Literarische Thematisierungen von Geschichte. In: Michael Sauer (Hrsg.): Geschichte und Öffentlichkeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [vorauss. 2008].

[7] White: Metahistory, S. x.

[8] Vgl. Arthur C. Danto: Analytische Philosophie der Geschichte. Aus dem Engl. von Jürgen Behrens. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974 (orig. 1965).

[9] Vgl. Hayden White: Das Problem der Erzählung in der modernen Geschichtstheorie. In: Pietro Rossi (Hrsg.): Theorie der modernen Geschichtsschreibung. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1987 (es. 1390), S. 57-106, hier S. 76-85 (orig. 1984).

[10] Vgl. Hans Michael Baumgartner: Kontinuität und Geschichte. Zur Kritik und Metakritik der historischen Vernunft. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1972.

[11] Vgl. Paul Ricoeur: Zeit und Erzählung. Bd. 1‑3. Übers. von Rainer Rochlitz und Andreas Knop (Bd.3). München: Fink 1988‑91 (Übergänge. 18.1-3), Bd. 1, S. 311-326; Philippe Carrard: Poetics of the New History. French Historical Discourse from Braudel to Chartier. Baltimore, London: Johns Hopkins UP 1992; Axel Rüth: Narrative Strukturen in der französischen "Annales“-Geschichtsschreibung. Berlin/New York: de Gruyter 2005 (Narratologia. 5).

[12] Vgl. Hans Michael Baumgartner: Die Erzählstruktur des historischen Wissens und ihr Verhältnis zu den Formen seiner Vermittlung. In: Siegfried Quandt, Hans Süssmuth (Hrsg.): Historisches Erzählen. Formen und Funktionen. Mit Beitr.n von Hans Michael Baumgartner [u. a.]. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1982 (Kleine Vandenhoeck-Reihe. 1485), S. 73-76; Jörn Rüsen: Geschichtsschreibung als Theorieproblem der Geschichtswissenschaft. Skizze zum historischen Hintergrund der gegenwärtigen Diskussion. In: Reinhart Koselleck, Heinrich Lutz und Jörn Rüsen (Hrsg.): Formen der Geschichtsschreibung. München: Dt. Tb. Vlg. 1982 (Theorie der Geschichte. 4; dtv wissenschaft 4389), S. 14-35, hier S. 23-27. Dazu D. F.: Wissenschaft aus Kunst. Die Entstehung der modernen deutschen Geschichtsschreibung 1760-1860. Berlin, New York: de Gruyter 1996 (European Cultures. 7), S. 28-35.

[13] Vgl. Reinhart Koselleck [u. a.]: Geschichte. In: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 2. Stuttgart: Klett-Cotta 1975, S. 593-718 (S. 595-647 von Christian Meier/Odilo Engels/Horst Günther), hier S. 647-663. Berechtigte Kritik an Koselleck übt Jan Marco Sawilla: 'Geschichte’: Ein Produkt der deutschen Aufklärung? Eine Kritik an Reinhart Kosellecks Begriff des 'Kollektivsingulars Geschichte’. In: Zeitschrift für historische Forschung 31 (2004), S. 381-428; dazu vgl. D. F.: Rex ex historia. Komödienzeit und verzeitlichte Zeit in Minna von Barnhelm. In: Das achtzehnte Jahrhundert 30 (2006), S. 179-192, hier S. 179-183.

[14] Anders als Joseph Vogl setze ich also nicht als Prämisse, daß "epistemische Sachlagen“ stets "ästhetische Entscheidungen [...] implizieren“ (J. V.: Robuste und ideosynkratische Theorie. In: KulturPoetik 7,2 [2007], S. 249-258, hier S. 254). Diese Prämisse schlägt jedes Wissens in den Einzugsbereich einer 'Poetologie des Wissens‘, erklärt den Literaturwissenschaftler also für allzuständig.

[15] Gideon Stiening: Am "Ungrund“ oder: Was sind und zu welchem Ende studiert man 'Poetologien des Wissens’. In: KulturPoetik 7,2 (2007), S. 234-248, hier S. 245.

[16] Vgl. Joseph Vogl: Einleitung. In: ders. (Hrsg.): Poetologien des Wissens um 1800. München: Fink 1999, S. 7-16, hier S. 11: "Wissen verläuft über Äußerungsweisen verschiedener Ordnung und Art und erscheint etwa in einem literarischen Text, in einem wissenschaftlichen Experiment, in einer Verordnung oder in einem alltäglichen Satz gleichermaßen.“ Oder ebd., S. 14: "Foucaults Verfahren [...] liegt in der Entdeckung und Vermessung jenes unbekannten Landes, in dem eine literarische Fiktion, eine wissenschaftliche Proposition, ein alltäglicher Satz, ein schizophrener Unsinn usw. gleichermaßen Aussagen sind“. Eine bedenkliche Bereitschaft zur Unschärfe macht sich auch darin bemerkbar, daß Vogl sich auf H. Whites These vom "poetischen Akt“, der der Geschichtsschreibung zugrunde liege, beruft, wo er sein Unternehmen als 'Poetologie’ annonciert (ebd., S. 13).

[17] Vgl. Stiening: Am "Ungrund“, S. 241.

[18] Vgl. Wilfried Barner: Poetologie? Ein Zwischenruf. In: Scientia Poetica 9 (2005), S. 389-399.

[19] Vgl. ebd., S. 399.

[20] Vgl. Harald Fricke: Poetik. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Gem. mit Georg Braungart [u. a.] hrsg. von Jan-Dirk Müller. Bd. 3. Berlin, New York: de Gruyter 2003, S. 100-105, das Zitat S. 101.

[21] Nicolas Pethes: Poetik / Wissen. Konzeptionen eines problematischen Transfers. In: Gabriele Brandstätter, Gerhard Neumann (Hrsg.): Romantische Wissenspoetik. die Künste und die Wissenschaften um 1800. Würzburg: Königshausen & Neumann 2004 (Stiftung für Romantikforschung. 26), S. 341-372, hier S. 344.

[22] Vogl: Einleitung, S. 11.

[23] Karl Richter, Jörg Schönert und Michael Titzmann: Literatur – Wissen – Wissenschaft. Überlegungen zu einer komplexen Relation. In: dies. (Hrsg.): Die Literatur und die Wissenschaften 1770-1930. [Walter Müller-Seidel zum 75. Geburtstag]. Stuttgart: M & P, Verlag für Wissenschaft und Forschung 1997, S. 9-36, hier S. 12.

[24] Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Übers. von Ulrich Köppen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1973, S. 259.

[25] Stiening: Am "Ungrund“, S. 238.

[26] Vgl. Tilmann Köppe: Vom Wissen in Literatur. In: Zeitschrift für Germanistik N. F. 17 (2007), S. 398-410.

[27] Stiening: Am "Ungrund“, S. 242.

[28] Vgl. Pethes: Poetik / Wissen, S. 366.

[29] Stiening: Am "Ungrund“, S. 248.

[30] Ebd., S. 245.