7. Göttinger Workshop zur Literaturtheorie, 16. 06. 2006

Yehong Zhang

Korreferat zu Willie van Peer: Empirische Literaturwissenschaft

Textgrundlage: "Foregrounding" by Frank Hakemulder & Willie van Peer.

1.          Zur Definition des Begriffs "Foregounding"

1.1 foreground und background
In unserer visuellen Wahrnehmung steht immer 'Figure' vor 'Ground', Einzelheit vor Ganzheit. Der Begriff 'Foregrounding' beschreibt den Prozess von literarischem Verstehen. Entwickelt sich die Foregrounding-Theorie aus der Figure/Ground-Unterscheidung? Was meint die Theorie mit dem Vordergrund und Hintergrund in literarischen Texten? Bilded die Alltagssprache den Hintergrund der literarischen Sprache?

1.2 Verfahren und Gegenstand
Es lassen sich zwei Aspekte bei der Foregrounding-Theorie unterscheiden. Einerseits beschreibt sie ein Verfahren. Wie wird Foregrounding erzeugt? Wodurch fällt ein Textelement besonders ins Auge? Andererseits fragen wir nach den Gegenständen von Foregrounding. Bestimmte Textmerkmale erhalten im Rahmen von Foregrounding mehr Aufmerksamkeit und sind damit gegenüber dem restlichen Text auffälliger geworden. Haben empirische Untersuchungen einen Befund hinsichtlich der Frage ergeben, welche literarische Elemente besonders geeignet für Foregrounding sind?

2.           Eingrenzung der Abweichung

Literarische Autoren erreichen Foregrounding durch verschiedene Mittel. Wiederholung, ungewöhnliche Benennung, kreative syntaktische Wort- und Satzfolge, Reim, kreative Metapher u.a. können die Technik von Foregounding sein. Es werden zwei Mittel von Foregrounding in der Theorie erläutert, nämlich Abweichung und Parallelismus. Ist der Parallelismus, z.B. als Assonanz, Alliteration, semantische Symmetrie, nicht eine besondere Art von Abweichung? Wie ist der Begriff Abweichung in der Foregrounding-Theorie bestimmt?

3.          Anwendbarkeit der Foregrounding-Theorie für Herausbildung der Hypothesen

In der strukturalistischen Tradition wird die literarische Sprache als Abweichung von der Alltagsprache bestimmt. Die Abweichung vom 'gewöhnlichen Sprechen' macht die poetische Funktion der Literatur aus. Wirkt die Foregrounding-Theorie mit ihrem Literarizitätskriterium nicht zu allgemeine, um eine genaue Hypothese für eine empirische Untersuchung zu bilden? Das empirische Instrumentarium kann nur eine detaillierte Text- oder Leserkonstruktion experimental abprüfen und benötigt deswegen eine präzise Vorausage. Welche Hypothesen gibt es, die von der Foregrounding-Theorie hergeleitet werden?

4.          Foregrounding und Rezeption

Bestimmte Abweichnungsformen werden automatisch vom Leser wahrgenommen. Im Rahmen von Erzählstrategie von Bestsellern sollen Erwartungen von einem breiten Publikum nach Möglichkeit erfüllt werden. Lässt sich ein optimales Verhältnis von Abweichung und ästhetischem Vergnügen durch eine empirische Untersuchung herausfinden? Wie weit geht dann die Abweichung, dass Rezipienten die abweichenden Textmerkmalen immer noch genießen können? Kann man durch empirische Studien den Grad oder die Regel der Abweichung erkennen?

5.          Abweichung und Wahrnehmung

Unsere Erkenntnisse und Erfahrungen sind verschiedenen Theorien zufolge auf Schemata angewiesen. Das ganze Verständnis von der Welt beruht auf die narrativen Mustern. Wurde im Rahmen empirischer Studien untersucht, über welche Schemata Leser verfügen und wie literarische Schemata die Wahrnehmung verändern? Wie verknüpfen sich die Alltagsschemata mit Schemata der Abweichung?

6.          Rolle der Literaturwissenschaftler

Um den Zusammenhang von Textelemente und Leserkonstruktion herauszufinden, brauchen die Literaturwissenschaftler eine Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen. Was kann die traditionelle Literaturwissenschaft von einer empirisch gestützen Foregrounding-Theorie lernen?