Simone Winko  

Forschungsgebiete

  • Theorie der Literatur und Methodologie der Literaturwissenschaft
  • Theorie der Wertung von Literatur und Kanonbildung
  • Literatur um 1900
  • Digitale Literatur
  • Literaturwissenschaft und Linguistik

Aktuelle Forschungsprojekte

Der Beginn der modernen Lyrik. Literaturgeschichte mittels Textähnlichkeit modellieren (Jannidis, Würzburg/Winko, Göttingen)

Der Übergang des Realismus, der dominanten Kunstform des 19. Jahrhunderts, zur frühen Moderne an der Wende zum 20. Jahrhundert wurde von den Zeitgenossen damals und seither von der Literaturgeschichte als tiefgreifende Veränderung gesehen, die viele formale und inhaltliche Aspekte betrifft. Das gilt auch für die Lyrik. Aber während heute nur noch eine kleine Gruppe von Dichtern und Gedichten als ‚modern‘ angesehen wird, haben die Zeitgenossen dieses Attribut auf erheblich mehr Texte angewendet, wie man zum Beispiel an den zahlreichen um 1900 veröffentlichten Anthologien mit ‚moderner Lyrik‘ erkennen kann. Eines der Hauptziele unseres Projekts ist es, diese Diskrepanz zu verstehen: Ignoriert die Literaturgeschichte moderne Merkmale in vielen Gedichten um 1900 oder haben die Zeitgenossen Veränderungen und Innovationen wahrgenommen, wo es keine gab?

Um diese Frage zu beantworten, werden wir uns mit der Ähnlichkeit von Texten befassen: Unsere leitende Annahme ist, dass modernere Texte einander ähnlicher sind als traditionelleren Texten. Ähnlichkeit ist aber immer mit einer bestimmten Perspektive verbunden. Die Dimensionen, unter denen Zeitgenossen und Literaturhistoriker die Hauptunterschiede zwischen der Lyrik des Realismus und der frühen Moderne sehen, sind meist die gleichen: neue Themen, neue Formen und eine neue Art der Darstellung und des Ausdrucks von Emotionen in Gedichten. Wir werden all diese Aspekte behandeln und zu diesem Zweck mit unterschiedlich großem Aufwand vorliegende Methoden anpassen bzw. erneuern. Die Entwicklung neuer Methoden wird sich auf semantische Textähnlichkeit und auf sentiment analysis oder genauer: auf Emotionsanalyse konzentrieren. Die Messung der Textähnlichkeit von kurzen Texten wie Gedichten ist eine große Herausforderung, aber seit der Einführung von word2vec und anderen Formen des word embeddings hat sich die Situation deutlich verbessert. In der Anwendung dieser Ansätze auf historische Texte und insbesondere auf eine Gattung wie die Lyrik liegt eine weitere Herausforderung: Das Vokabular der Lyrik unterscheidet sich deutlich von dem anderer literarischer Gattungen; es ist z.B. gekennzeichnet durch die Verwendung von ‚altmodischen‘ Ausdrücken und zugleich von Neologismen, von denen viele Komposita sind. Einer unserer Schwerpunkte liegt auf der Bestimmung, welcher Ansatz der word embeddings für unsere Beispielfälle vorzuziehen ist und wie diese verwendet werden können, wenn Dimensionen wie die allgemeine Semantik wiedergegeben werden sollen. Den zweiten Schwerpunkt macht die Entwicklung eines historischen Emotionslexikons aus, das anachronistische Zuordnungen vermeidet.

Das Herstellen von Plausibilität in Interpretationstexten. Untersuchungen zur Argumentationspraxis in der Literaturwissenschaft

Das von der DFG geförderte Projekt „Das Herstellen von Plausibilität in Interpretationstexten. Untersuchungen zur Argumentationspraxis in der Literaturwissenschaft“ erforscht die argumentative Praxis des literaturwissenschaftlichen Interpretierens.

Anhand von ca. 100 Interpretationen, die zwischen 1995 und 2015 in philologischen Fachpublikationen erschienen sind, soll untersucht werden, welche Strategien in Interpretationstexten eingesetzt werden, um Thesen zu plausibilisieren. Die beiden Teilkorporasetzen sich aus Interpretationen zu zwei kanonischen und vielinterpretierten Erzähltexten der deutschen Literatur zusammen: Annette von Droste-Hülshoffs „Die Judenbuche“ und Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“.

Das praxeologisch ausgerichtete Projekt greift Studien der 1970er-Jahre auf und verbindet sie mit aktuellen Konzepten des Argumentierens als einer sozialen Praxis. Es entwickelt ein eigenes kriteriengestütztes Verfahren auf hermeneutischer Basis, das die Argumentationsstruktur der Texte unter systematischer Berücksichtigung der verwendeten Darstellungsmittel erfasst. Das Projekt soll dazu beitragen, genauere Kenntnisse über eine besonders wichtige und funktionierende, aber kaum erforschte Praktik des Erzeugens und Vermittelns von Wissen in der Literaturwissenschaft zu gewinnen und implizite Regeln offenzulegen, die fach- oder bereichsspezifisch gelten. Ein positiver Nebeneffekt dieser Kenntnisse könnte die Verbesserung der innerfachlichen Kommunikation über argumentative Praktiken sein.

Zu weiteren Projekten und Initiativen